Zur Pfarrkirche St.Remigius Merdingen
von Prof.Hermann Brommer – kurz vor seinem Tod am 26.10.2012 verfasst:
Zum Beginn nur einige kurze Bemerkungen zur Baugeschichte und kunstgeschichtlichen Bedeutung der Merdinger Barockkirche: Die hiesige Tuniberg-Ortschaft war während des 18. Jahrhunderts „eins von den größten Dörfern im Breisgau“, wie eine im Klosterarchiv St. Blasien aufbewahrte Landesbeschreibung Vorderösterreichs besagt. So war es keine Frage, dass nach einem Blitzschlag die alte, viel zu kleine Kirche abgerissen werden musste.
1738–1741 entstand die neue Kirche, die dank ihrer durchdachten Ausstattung sich zu einem Gesamtkunstwerk hin entwickelte. Die Deutschordenskommende Freiburg als Kirchherrschaft des hiesigen Dorfes beauftragte den Ordensbaumeister Johann Caspar Bagnato mit der Planung und Bauausführung. Ohne die Finanzierung des Kirchenneubaus durch die übergeordnete Deutschordensprovinz Elsass-Burgund, die ihre Residenz in Altshausen bei Ravensburg hatte, wäre es dem Dorf Merdingen nicht möglich gewesen, eine solch kunstgeschichtliche Pfarrkirche zu bauen.
Bagnato entstammte einer aus einem Tessiner Bergdorf zugewanderten Baumeisterfamilie und war ein vielbeschäftigter Barockarchitekt und Bauunternehmer in Südwestdeutschland, im Elsass und der Schweiz. Er führte mit dem Merdinger Gotteshaus, das dem Frankenheiligen St. Remigius geweiht wurde, einen neuen barocken Pfarrkirchentyp ins Oberrheingebiet ein. Als Modell diente dabei die Schlosskapelle der Insel Mainau. Im Inneren der Kirche schließen schräg gestellte Seitenaltäre in Eckmulden die beiden Raumteile des Langhauses und des Chorraums fließend miteinander zusammen. Kuppeln prägen jeden Teilraum mit und sorgen für ein beschwingtes Raumgefühl. Zwei herausragende Barockkünstler gestalteten die Ausstattung der Kirche, die Bagnato sofort zu Beginn seiner Bautätigkeit verpflichtete. Sie haben im Breisgau nur an zwei Orten gearbeitet, nämlich oben im Kloster St. Peter und hier unten im Oberrheintal für die Kirche in Merdingen.
Das war zum Ersten der berühmte Bildhauer Josef Anton Feuchtmayer für die drei Stuckmarmoraltäre und die Kanzel. Dessen Hauptwerk ist in seinem Hochaltar in der Wallfahrtskirche Birnau am Bodensee zu finden. Außerdem wurde der bedeutendste schwäbische Barockmaler Franz Josef Spiegler von Riedlingen an der Donau herangeholt, um die Deckengemälde und die Altarbilder einzubringen. Oben sehen Sie die Aufnahme Mariens in den Himmel, die Heiligste Dreifaltigkeit im Reigen musizierender Engel und das Apokalyptische Lamm auf dem Buch mit den sieben Siegeln als Sinnbild der Eucharistie. Die Altargemälde zeigen im Einzelnen: Vorne die Taufe des Frankenkönigs Chlodwig durch St. Remigius, links folgt das Rosenkranzbruderschaftsbild mit Dominikus und Katharina sowie mit einigen abgebildeten Merdingern aus der Zeit um 1740 und rechts findet sich der hl. Fridolin von Säckingen, der Alemannenapostel, mit dem aus dem Grab geholten Ursus als Zeuge vor dem Gericht in Rankweil. Als Bauführer und Stuckateur hatte Bagnato seinen Tessiner Landsmann Francesco Pozzi beigezogen. Zum Abschluss des Kirchenneubaus schuf der Freiburger Bildhauer Johann Christian Wentzinger 1741 die wundervolle Sandsteinstatue der Maria Immaculata über dem Hauptportal. Wentzinger hat zeitlebens zu seinen Merdinger Verwandten (zwei Onkel waren hier verheiratet) sehr enge Beziehungen gepflegt.
40 Jahre nach der Erbauung dieser Kirche ließ die Gemeinde noch die 14 Kreuzwegstationsbilder durch den Freiburger Maler Simon Göser anfertigen.
Für die oft armselig lebenden Bauern- und Handwerkerfamilien des Dorfs war die neue Kirche wie ein Stück Himmel auf Erden. Darin gab es schon im 18. Jahrhundert eine Orgel. Info’s zur weiteren Orgelgeschichte in der Festschrift zur neuen Jäger & Brommer-Orgel. Wer zur Kunstgeschichte mehr wissen möchte, dem seien die genauen Angaben im Kirchenführer empfohlen.