Meisterwerkstatt

Waldkircher Orgelbau

Die Geschichte der Welte Orgel im Augustinermuseum Freiburg

Bei der Entbarockisierung der Abteikirche Gengenbach 1896 wurde die dortige Orgel mitsamt dem 1732-1733 entstandenen Orgelprospekt ausgebaut. Sie wurde im Kaplaneihaus in Gengenbach zwischengelagert, die Originalpfeifen waren weitgehend in „Privatbesitz“ übergegangen und wurden vermutlich eingeschmolzen.

Die Orgel im Augustinermuseum um 1950

1904 wurde der Orgelprospekt, für den die Kirchengemeinde Gengenbach schon länger einen Abnehmer suchte, auf Beschluss der Sammlungskommission der Stadt Freiburg für 800.-- Mark gekauft und in der Hildaschule zwischengelagert.

Bei der Einrichtung des Augustinermuseum 1923 wurde der Prospekt im Chor des Kirchenraumes wiederaufgebaut. Vermutlich wurde schon bei der Planung der Einrichtung des Museums auf den Einbau der Orgel Rücksicht genommen. Mit dem Einbau beauftragt wurden die drei Museumsschreiner. Nach einem Bericht von Museumsdirektor Dr. Noack vom Januar 1923 waren diese über Monate damit beschäftigt, auch ist von großen Schwierigkeiten beim Aufbau die Rede.

1925 gab es erste Anregungen, die Orgel bzw. den leeren Prospekt durch den Einbau eines aus Privatbesitz geliehenen Instrumentes wieder spielbar zu machen. Dieses Vorhaben stieß aber offenbar auf Ablehnung von Seiten des Museum. Erst 1934  wurde diese Idee wieder aufgenommen und auch in einer Blitzaktion realisiert.

Der Grund für diese schnelle Realisierung waren vom Deutschen Reich zur Verfügung gestellte Fördermittel. Durch den Wegfall Elsass-Lothringens waren neue Grenzzonen entstanden. Zur Verbesserung deren Infrastruktur wurden diesen neu entstandenen Grenzzonen, zu denen auch der Raum Freiburg gehört, sogenannte Westhilfe - Grenzlandmittel zugewiesen.

Aus dieser Westhilfe gingen 30.000 RM  per Erlass vom 26.4.1930 des Badischen Ministeriums für Kultus und Unterricht zur Errichtung einer Musiklehranstalt nach Freiburg. Mit diesen Mitteln wurde 1930 das Städtische Musikseminar Freiburg unter Leitung von Ernst Doflein und Julius Weismann gegründet. Von dem Gesamtbetrag waren nach der Einrichtung des Seminars 7.100.-- RM übrig geblieben, die man für den Kauf einer Orgel in Reserve hielt.

In einem Schreiben vom 15. Dezember 1933 forderte nun das Ministerium die Stadt auf, die noch nicht ausgegebenen Gelder unverzüglich zurückzuzahlen. Dies war der Anlass zu hektischen Bestrebungen, das Geld doch noch auszugeben zu können und schnellstmöglich durch den Kauf einer Orgel zu binden. Bürgermeister Dr. Hofner schrieb dazu: Die Stadt und das Musikseminar befinden sich in nicht geringer Verlegenheit. Es gelang aber, durch Verhandlungen mit dem Ministerium bzw. persönlichen Kontakt mit dem betreffenden Referenten im Ministerium der sofortigen Rückzahlung des Geldes unter Berufung auf das ja bereits laufende Projekt zu entgehen, aber es war höchste Eile geboten.

Am 21. Dezember 1933 macht die Freiburger Firma M. Welte & Söhne ein Angebot für eine Kammerorgel zu RM 3.500.--, die im Paulussaal zu Schauzwecken aufgebaut war, da das Musikseminar ein Übungsinstrument suche.“ Vom Musikseminar wurde die Orgel als nicht geeignet abgelehnt, außerdem stände kein Raum zur Verfügung. Julius Weismann, der Leiter des Seminars, betonte aber den dringenden Bedarf einer Studienorgel.

Das damals benutzte Übungsinstrument war teilweise die Orgel in der Adelhauser Kirche. Warum dieser Zustand nicht befriedigend war, geht aus den Akten nicht hervor.   Bei der nun einsetzenden Diskussion um den zukünftigen Standort der Orgel waren das Kornhaus und das Kaufhaus in der Diskussion, in deren Verlauf sich bald das Kaufhaus als Favorit abzeichnete. Aber die in den letzten Jahren von der Stadt verfolgten Pläne, das Kornhaus zu einer Stätte für Kammerspiele und zu einem Konzertsaal auszubauen, waren aufgrund Geldmangels aufgegeben worden.

Daher wurden vom Hochbauamt in Zusammenarbeit mit der Musikschule detaillierte Pläne für den Einbau der Orgel im Kaufhaussaal gemacht. Die Disposition, mit der die Anzahl und Art der Register einer Orgel festgelegt werden, stammte von Ernst Kaller, dem damaligen Leiter der Orgelklasse der Musikschule (der im September 1934 einem Ruf an die Folkwang-Schule nach Essen folgte). Die Freiburger Firma M. Welte & Söhne erstellte aufgrund dieser Disposition ein Angebot in Höhe von RM 10.650.-- für das neu zu bauende Instrument.

Das Musikseminar stellte 22. Januar 1934 einen förmlichen Antrag an die Stadt zu Errichtung einer Orgel zu Studien- und Konzertzwecken im Kaufhaussaal und sagte regelmäßige Konzerte altdeutscher Musik im Kaufhaussaal zu.   Ernst Kaller brachte zusammen mit Joseph Schlippe, dem Leiter des Hochbauamtes, das Augustinermuseum in die Diskussion um den Standort. Nach positiver Abstimmung mit Museumsdirektor Dr. Noack fiel der entgültige Entschluss zum Kauf der Orgel und zum Einbau hinter den Prospekt im Augustinermuseum  am 6.8.1934, Welte & Söhne erhielt den Auftrag zum Bau derselben. Die Firma Welte machte darauf aufmerksam, dass es unsinnig sei, in einem solchen Prospekt die gemalten Blindpfeifen auf Holz zu belassen.

Diese Blindpfeifen waren 1923 bei der Wiederaufstellung des Prospektes erstellt und in den leeren Feldern angebracht worden. Welte machte ein zusätzliches Angebot für hochwertige Zinnpfeifen im Sichtbereich, mit denen die auf Holztafeln gemalten Blindpfeifen ersetzt werden sollten. Diesem Plan folgte man und im Frühjahr 1935 war die Orgel fertig eingebaut. Die gesamte Prominenz Badens aber auch die Berliner Politprominenz, so auch Reichsminister Goebbels, wurde zur Einweihung am 26. April 1935 eingeladen, Bei der Einweihung sollte das Freiburger Kammertrio für alte Musik spielen, der Chor der Christuskirche singen und Ernst Kaller sollte die neue Orgel spielen.

Da am selben Tag Reichsbischof Ludwig Müller“ im Festsaal am Stadtgarten eine Rede hielt, erhob die NSDAP Einspruch gegen den Termin, die Gäste wurden per Postkarte prompt wieder ausgeladen. Nun kümmerte sich der Kulturbeauftragte der NSDAP, Parteigenosse Prandhoff, um das weitere Vorgehen. 30.000 RM, Zitat: Die Feier ist nun allein Sache der NS-Kulturgemeinde......   Erneut wurde nun zum neuen Termin am 21. Juli eingeladen.

Das Kammertrio wurde ausgeladen, der politisch bedenkliche Auftritt des Chors der Christuskirche unterbunden. Das Musikprogramm wurde aufgenordet, als Redner trat der Musikbeauftragte der NS-Kulturgemeinde,  Parteigenosse Dr. Rudolf Sonner, auf. Da Kaller zu diesem Zeitpunkt verhindert war, wurde der Naumburger Domorganist und Musikbeauftragte der Naumburger NS-Kulturgemeinde, Parteigenosse Dr. Walter Haacke, engagiert.

Dieser erstellte direkt nach der Feier ein äußerst negatives Gutachten über die Orgel, das er an Oberbürgermeister Dr. Kerber sandte.  Das Instrument entsprach ja in keiner Weise den Vorstellungen der inzwischen nationalsozialistisch beeinflussten, norddeutschen Orgelbewegung. Ernst Kaller hatte sich bewusst in Anpassung an den barocken Prospekt an frühen Barockorgeln orientiert und sie entsprechend disponiert, so war sie ein eher zurückhaltendes und klein dimensioniertes Instrument, der Zeitgeist verlangte aber anderes. Haacke forderte daher mehr oder weniger einen totalen Umbau, Kaller antwortete mit einem Gegengutachten. Vom Oberbürgermeister wurde die Sache zurückgestellt, bis wieder Geld da sei.

Zwischen Augustinermuseum und Musikschule wurde nun ein Vertrag abgeschlossen, der die Nutzung des Instrumentes im Detail regelte. Von den Heizkosten bis zur Bezahlung des „Wind- und Lichtstromes“ über die Schlüsselausgabe wurden die Details der Nutzung vertraglich geregelt, es musste ja der Übebetrieb durch die Studenten in den Museumsbetrieb integriert werden. Diese Regelung führte bis zu dessen Ende mit dem Neubau der Musikhochschule 1984 zu ständigen Reibereien und Konflikten, vor allem im Bereich der Sicherheit.
1936 wurde das Städtische Musikseminar aufgelöst und in die völkisch ausgerichtete Städtische Musikschule für Jugend und Volk überführt. Eine neue, von der NSDAP eingesetzte Leitung übte damit indirekt die Kontrolle aus. Nun nutzte diese die Orgel als Studieninstrument, eine neuer Vertrag mit dem Museum wurde geschlossen. Der in Haackes Gutachten von 1935 artikulierte Ruf nach mehr Volumen und nach einem völlig anderen Orgelkonzept wurde mangels Geld von der Stadt allerdings vorerst nicht weiterverfolgt.

Der Ruf nach einem Umbau verstummte aber nicht und führte endlich im Jahre 1943 zum Erfolg. Der damalige Leiter der Musikschule, Dr. Herbert Haag, der nun auch Musikbeauftragter der Stadt war, setzte beim Oberbürgermeister einen Umbau durch. Im August 1943 bekam die Firma Welte den Auftrag zur Erweiterung der Orgel, sie trieb auch mitten im Krieg tatsächlich das entsprechende Material auf und ergänzte das Pfeifenwerk um etliche Register.

Die Arbeiten dazu wurden am 3. Mai 1944 abgeschlossen. Mit der Wiedergründung der Städtischen Musikschule 1946 ging der Studien- und Übebetrieb im Augustinermuseum weiter und auf die Nachfolgeinstitution, die Staatliche Musikhochschule Freiburg über. Erst mit dem 1984 erfolgten Neubau der Musikhochschule an der Schwarzwaldstrasse nahm der Übebetrieb ein Ende, sehr zur Erleichterung des Museums.   1957 wurde die Orgel weiter umgebaut. Der Freiburger Orgelbauer Willy Dold integrierte ein weiteres Register (Rankett ') , er hängte dieses Register pneumatisch hinter eine vorhandene Welte-Windlade. Die unangenehme Folge dieser Erweiterung ist, dass das zusätzlich eingebaute Register immer etwas hinter den anderen Registern hinterherhinkt.

Er erweiterte auch die Membranladen, die nun fast unzugänglich hinter den bereits vorhandenen Windladen eingebaut wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Original-Spieltisch von Welte durch ein Standard-Modell ersetzt.   Ein 1989 vom damaligen Orgelsachverständigen des Landesdenkmalamtes erstelltes Gutachten spricht sich im Wesentlichen gegen eine Erhaltung der Orgel aus. Aus der Sicht der Orgelbausachverständigen der 1950er bis 1980er-Jahre galten allerdings Instrumente dieser Epoche fast grundsätzlich als minderwertig und wurden in der Folge in großem Stile durch Neubauten ersetzt. Orgeln aus dieser Epoche sind daher inzwischen Raritäten.

Gerhard Dangel, in: Aus Freiburg in die Welt - 100 Jahre Welte-Mignon. Freiburg,  Augustinermuseum, 2005, S. 150 -153.